„Ein gelungenes Change Management bindet alle ein“: Interview mit Rafael Koch von Operations1
Beim Thema Change Management reagieren viele mit Abwehr und Angst vor Veränderung. Dabei ist Veränderungsmanagement vielfach der Schlüssel für den Erfolg eines Unternehmens und zufriedene Mitarbeiter. Als Head of Customer Success bei Operations1 hat Rafael Koch schon viele Change-Management-Prozesse begleitet. Im Interview verrät er, was das Geheimnis von erfolgreichem Veränderungsmanagement ist und warum es so wichtig ist, die Mitarbeiter einzubeziehen.
Worum es im Interview geht
Rafael Koch ist Head of Customer Success bei Operations1. Zusammen mit seinem Team führt er die Operations1-Software bei den Kunden ein und hat schon viele Veränderungsprozesse erfolgreich begleitet. Im Interview erklärt er, wie Change Management zur Zufriedenheit aller beteiligten Stakeholder umgesetzt werden kann und warum Kommunikation und Empowerment entscheidende Erfolgsfaktoren sind.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Rafael, was bedeutet Change Management und warum ist es so wichtig?
„Change Management“ oder auch „Veränderungsmanagement“ ist die systematische Anpassung eines Unternehmens an sich wandelnde Umstände. Es ist deswegen so wichtig, weil es Unternehmen mittels einer Reihe von Methoden und Prozessen dabei unterstützt, sich an Veränderungen anzupassen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Dadurch können Firmen den inneren Widerstand verringern, der bei Umgestaltungen häufig aufkommt.
Wann ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem ein Unternehmen spätestens einen Change-Management-Prozess anstoßen sollte?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, je nachdem, was ein Unternehmen konkret verändern möchte. Ein guter Zeitpunkt für Change Management ist gekommen, sobald firmenintern eine signifikante Änderung der Strukturen, Prozesse oder Technologien erfolgen soll – beispielsweise eine Umstrukturierung einer Abteilung, eine neue Unternehmensstrategie oder die Einführung einer neuen Technologie. Wichtig ist, dass der Prozess so früh wie möglich angestoßen wird.
Für welche Unternehmen oder welches Veränderungsanliegen eignet sich Change Management besonders?
Es gibt hier keine Einschränkungen oder Spezifikationen auf bestimmte Bereiche, Branchen oder Unternehmensgrößen. Das Schöne am Change Management ist, dass es ein universelles Werkzeug für wirklich jedes Unternehmen ist, das die eben genannten Veränderungen in seinem Geschäftsbetrieb umsetzen möchte.
Change-Management-Phasen
Welche Phasen umfasst ein Change-Management-Prozess typischerweise und was ist in der jeweiligen Phase relevant?
Für die Durchführung eines Change-Management-Prozesses gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Frameworks. Bekannte Modelle sind beispielsweise das Modell nach Lewin, nach McKinsey, Kübler-Ross oder der Psychotherapeutin Virginia Satir. Gemeinsam ist all diesen Frameworks, dass sie von unterschiedlichen Phasen ausgehen, die eine tiefgreifende Veränderung normalerweise begleiten, wie etwa Schock, Widerstand, Angst, Verleugnung etc. Am Ende eines gelungenen Change-Management-Prozesses steht immer die Akzeptanz des Neuen, das dann wertstiftend in die eigene Persönlichkeit und das eigene Umfeld integriert werden kann. Da ein Change-Management-Prozess oftmals ein Projekt mit einem solch klar definierten Ergebnis ist, empfehle ich unseren Kunden das Phasenmodell des traditionellen Projektmanagements. Es unterscheidet 5 Phasen:
1. Analyse und Initiierung: Hier geht es um eine Bestandsaufnahme und die Ermittlung des Ist-Zustands im Hinblick auf die Frage, ob ein Prozess oder eine Aktivität geändert werden müssen.
2. Planung: Im zweiten Schritt stehen die Entwicklung eines Change-Konzepts und die Erstellung eines entsprechenden Plans im Vordergrund.
3. Umsetzung: In dieser Phase wird das Change-Konzept implementiert und der Change-Plan umgesetzt.
4. Kontrolle: Diese Phase dient der Überwachung des Change-Prozesses und stellt die Ermittlung von Abweichungen sicher.
5. Abschluss: In der letzten Phase wird der Change-Prozess in der Rückschau bewertet, die neuen Prozesse und Systeme werden überwacht und es wird ein Abschlussbericht erstellt.
Selbst in diesem traditionellen Modell gibt es den so genannten „Change Request“, der Veränderungen berücksichtigt. Bei Veränderungsanliegen, bei denen das Ergebnis nicht vollständig klar ist, kann es helfen, ein agiles Modell bzw. ein Hybridmodell zu nutzen. So können Veränderungen in kleinen Teilabschnitten umgesetzt und im Nachgang kontrolliert werden. Vollständig agil beispielsweise mittels SCRUM in Sprints zu arbeiten, ist insbesondere bei vielen Ungewissheiten der neuen Umgebung ein hilfreiches Vorgehen. Das Ziel und die Umwelt diktieren folglich die Taktik zum Erfolg.
Von welcher Abteilung sollte die Initiative des Change Managements ausgehen?
Ganz klar vom Führungskreis. Gutes Veränderungsmanagement beginnt mit einer klaren Vision des Führungskreises, wie sich das Unternehmen in der Zukunft entwickeln möchte. Wenn sich die Verantwortlichen dafür einsetzen, schaffen sie ein Umfeld, in dem sich die Mitarbeiter auf die anstehenden Veränderungen innerlich vorbereiten können.
Wertschätzung und Kooperation
Wie gelingt es, beim Change Management alle beteiligten Unternehmensbereiche wertstiftend in den Veränderungsprozess zu integrieren?
Dazu sollte zunächst ein Change-Management-Team oder ein Change-Management-Beauftragter ausgewählt werden, die die Verantwortung für die Umsetzung des Veränderungsprozesses übernehmen. Handelt es sich dabei um ein ganzes Team, besteht es aus Personen aus allen beteiligten Unternehmensbereichen. Es hilft den beteiligten Abteilungen bei der Umsetzung der anstehenden Veränderungen, indem es Zeitpläne erstellt, Ressourcen bereitstellt und den Fortschritt überwacht. Wichtig sind dabei vor allem die regelmäßigen Feedbackschleifen zwischen den Abteilungen und dem Change-Management-Team, weil nur so sichergestellt werden kann, dass sich die gemeinsam beschlossenen Änderungen erfolgreich implementieren lassen. Neben diesen formalen Aspekten ist eine wertschätzende und kooperative Haltung aller Teammitglieder ungemein hilfreich.
Warum reagieren manche Beteiligte auf Change-Management-Prozesse mit Gefühlen wie Abwehr, Unmut, Besorgnis u.Ä?
Das hängt damit zusammen, dass Change-Management-Prozesse eine Veränderung einleiten, eine Art Abschied von Altem und Gewohntem, das Sicherheit bietet. Dies kann dann bei manchen Beteiligten zu negativen Gefühlen führen, die mit der Angst vor dem Unbekannten zusammenhängt. Letztlich ist diese menschlich und auch bis zu einem gewissen Ausmaß normal und jeder von uns war sicherlich persönlich schon einmal in einer völlig neuen Situation, die nicht steuerbar erschien und auf die wir dann mit Abwehrmechanismen reagiert haben. Bei Veränderungsprozessen in Unternehmen können solche Gefühle besonders dann ausgelöst werden, wenn sich die Mitarbeiter durch das Neue bedroht oder überrumpelt fühlen und ihnen nicht genügend Informationen oder Zeit gegeben wurde, um die Veränderungen zu verstehen.
Die richtige Erwartungshaltung
Welche Strategie hat sich bewährt, wenn sich einzelne Bereiche oder Mitarbeiter gegen das Veränderungsanliegen sperren?
Ein gelungenes Change Management bindet alle ein. Denn wer die Notwendigkeit von Veränderung nachvollziehen kann, ihre Chancen, aber auch die damit verbundenen Risiken sehen darf, kann einen Change normalerweise auch akzeptieren. Ein solches Einbeziehen kann beispielsweise über Workshops oder Schulungen geschehen. Wichtig ist, jegliche Bedenken und Zweifel, aber auch alle Ideen und Meinungen der Mitarbeiter aufzugreifen und ernst zu nehmen und sie so ganz aktiv in den Veränderungsprozess einzubinden. Außerdem ist es hilfreich, diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubinden, die einen starken und positiven Einfluss auf ihre Kolleginnen und Kollegen haben, was ja von der Position im Unternehmen erst einmal unabhängig ist. Denn diese Personen haben meist eine Vorbildfunktion und beeinflussen, ähnlich wie Influencer, ihre Umwelt mit ihrem Standpunkt und Verhalten.
Wie lange dauert ein Change-Management-Prozess typischerweise?
Das hängt stark von der Komplexität und dem Umfang des Veränderungsprozesses ab. In der Regel kann man aber von einer Zeitspanne von mindestens einigen Monaten ausgehen, in einigen Fällen sogar bis zu mehreren Jahren.
Was ist eine realistische Erwartungshaltung an die Ergebnisse eines Change-Management-Prozesses?
Wichtig ist, nicht davon auszugehen, dass die angestoßenen Veränderungsprozesse sofort sichtbare Ergebnisse liefern. Gutes Veränderungsmanagement ist nachhaltig und daher braucht es Zeit, bis die erwarteten Ergebnisse sich zeigen.
Was es sonst noch braucht
Abschließende Frage: Welche 3 Faktoren sind deiner Erfahrung nach entscheidend für ein erfolgreiches Change Management?
Damit Change Management nachhaltig gelingt, sind 3 Faktoren wesentlich:
1. Fähigkeiten: Die Beteiligten eines Change-Management-Prozesses sollten bestimmte Skills haben, damit der Wandel gelingen kann. Dazu zählen neben dem technischen und organisatorischen Wissen Softskills wie Kommunikationsstärke, Stakeholdermanagement, Geduld und Führungsstärke. Natürlich müssen sich diese Fähigkeiten nicht in einer einzelnen Person bündeln.
2. Empowerment: Veränderungsmanagement ist durchaus anstrengend, was nicht nur an der anstehenden Veränderung als solcher liegt, sondern auch am zeitlichen Aspekt. Daher ist es wichtig, dass die beteiligten Akteure während des Prozesses auf die oben genannten Ressourcen zurückgreifen können. Tun sie das nicht, kommt es zu Verzögerungen, Frust und Fehlern.
3. Vertrauen: Denn das ist die Basis, um sich überhaupt auf die Veränderung innerlich einzulassen und sie dann im Außen auch erfolgreich durchziehen zu können.
Rafael, vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen und die spannenden Einblicke!
Markus Glotzbach
Während seiner beruflichen Laufbahn sammelte Markus tiefe Einblicke bei Unternehmen und Konzernen unterschiedlicher Industrien und kennt die Digitalisierungshürden und Probleme auf dem Shopfloor. Vor seinem Wechsel zu Operations1 studierte er International Management (MA) und war im Cloud Computing- sowie im SaaS-Telematik-Bereich tätig.