Produktionstage Saarbrücken 2025 – Ein Blick in die Zukunft der Industrie 

Am 14. und 15. Mai 2025 fanden die Produktionstage in Saarbrücken statt – eine Veranstaltung, die von Praktikern für Praktiker konzipiert wurde. Ziel der Veranstaltung war es, aktuelle Herausforderungen und Lösungen in der Produktionswelt verständlich und praxisnah zu vermitteln. Experten aus verschiedenen Branchen gaben spannende Einblicke, wie Unternehmen mithilfe digitaler Technologien zukunftsfähig bleiben. 

Produktionstage Saarbrücken 2025

Einführung in die digitale Transformation nach Prof. August-Wilhelm Scheer 

Die Produktionstage begannen mit einem beeindruckenden Vortrag von Prof. August-Wilhelm Scheer, der für seine wegweisenden Beiträge zur Digitalisierung bekannt ist. Er erläuterte anschaulich, wie sich der Umgang mit Daten in Unternehmen verändert hat. Anfangs wurden Daten in isolierten Softwareanwendungen und separaten Datenbanken gehalten, etwa speziell für Finanz- oder Produktionsbereiche. Mit der Einführung von Enterprise-Resource-Planning-Systemen (ERP) konnten Unternehmen jedoch erstmals Daten zentralisieren, was eine erheblich effizientere und prozessorientiertere Arbeitsweise ermöglichte. 

Heute, erklärte Scheer, sei die Situation nochmals komplexer geworden: Unternehmen nutzen nun Integrationsplattformen wie SAP, auf denen verschiedenste Softwarelösungen und funktionsspezifische Datenbanken zusammenlaufen. Diese zentralen Schnittstellen bilden ideale Voraussetzungen für den Einsatz von KI-Agenten, die Daten in einheitlichen Formaten analysieren und auswerten können. 

Scheer erwähnte zudem kritisch, dass viele ambitionierte Projekte wie Gaia-X bislang wenig praktische Erfolge vorweisen konnten, insbesondere außerhalb der Forschungsbereiche. Er setzte dagegen auf Projekte wie FactoryX, an dem derzeit etwa 80 Unternehmen zusammenarbeiten, um reale, marktfähige Anwendungen zu schaffen. Scheers Fazit: Die Softwarelandschaft werde sich künftig stärker konsolidieren müssen, damit besonders mittelständische Unternehmen innovativ und wettbewerbsfähig bleiben können. 

Herausforderungen in volatilen Märkten – Lösungsansätze von Dr. Andreas Weber 

Dr. Andreas Weber ging anschließend auf Herausforderungen ein, die durch volatile Märkte entstehen. Besonders eindrucksvoll schilderte er, wie KI sogar ungewöhnliche Bestandsprobleme identifizieren kann. Ein humorvolles, aber eindrucksvolles Beispiel war ein petrochemisches Unternehmen, das überraschend hohe Lagerbestände an Nasenhaarschneidern aufwies. 

Weber nannte drei zentrale Treiber, die Digitalisierung im Anlagenbetrieb erforderlich machen: den demographischen Wandel, die rasant fortschreitende Technologieentwicklung und die Transformation von Wertschöpfungsketten durch internationale Zoll- und Handelshemmnisse. Er hob hervor, dass in der heutigen Instandhaltung nur 20 bis 35 Prozent der Zeit tatsächlich produktive Arbeit sei – der Rest gehe in administrative Nebentätigkeiten. Diese Nebentätigkeiten müssten dringend reduziert werden, da die Industrie durch die demographische Entwicklung ohnehin bereits stark unter Druck stehe: In den nächsten zehn Jahren werde rund 40 Prozent des aktuellen Personals verloren gehen, was selbst durch Zuwanderung kaum kompensierbar sei. 

Eine Lösung sieht Weber darin, Prozesse gezielt zu vereinfachen, etwa durch QR-Codes, die eine einfache und schnelle Zugänglichkeit von digitalen Produktschildern ermöglichen. Gleichzeitig forderte er, dass bürokratische Strukturen vereinfacht werden müssten, um schneller Entscheidungen zu treffen. Die Nutzung von KI zur Szenarienmodellierung könne erhebliche Einsparungen in Millionenhöhe ermöglichen, indem Prozesse energie- und ressourceneffizient gestaltet werden. 

Smart Factory: Vom Papier zur digitalen Zukunft mit Johann Hofmann 

Johann Hofmann brachte es auf den Punkt: „Papier bedeutet 100 % Datenverlust.“ Seine These: Der Mittelstand müsse dringend und vollständig auf digitale Systeme umsteigen. Dabei gehe es nicht nur um die Digitalisierung von Dokumenten, sondern vor allem um die Integration aller betrieblichen Prozesse. Hofmann argumentierte, dass nur vollständige und fehlerfreie Stammdaten die Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung bieten. 

Besonders hervorzuheben war seine Vision, aus dem traditionellen Manufacturing Execution System (MES) ein modernes Manufacturing Operations Management System (MOM) zu entwickeln. Ein MES mit integrierter KI werde zum zentralen Element zukünftiger Produktionssteuerung. Doch Technologie alleine genüge nicht: Die Mitarbeiter müssten aktiv eingebunden werden und Vertrauen in die neuen Systeme entwickeln. Ohne kulturellen Wandel und Akzeptanz scheitere jede technologische Innovation. 

Hofmann nannte drei große Anwendungsbereiche von KI in der Produktion: Automatisierung, Optimierung und Überwachung. Dabei spielen vor allem Sprachmodelle (LLM), Bildanalysen und Wellenanalysen eine zunehmend wichtige Rolle. 

Skalierung von KI in globalen Netzwerken – Erik Schwulera von Siemens 

Erik Schwulera von Siemens erläuterte, wie KI effektiv in einem globalen Fertigungsnetzwerk eingesetzt werden kann. Siemens hat dazu einen Werkeverbund mit über 30 Standorten geschaffen, der durch den Einsatz von Lean-Prinzipien und standardisierten Prozessen eine Produktivitätssteigerung von rund sieben Prozent erreichen soll. 

Wichtigste Erkenntnis Schwuleras war, dass nicht Maschinen standardisiert werden sollten, sondern vielmehr flexible KI-Modelle entwickelt werden müssten, die mit verschiedenen Datenquellen umgehen können. Ein weiteres zentrales Element sei es, die Implementierungs- und Betriebskosten strikt unter Kontrolle zu halten, damit diese nicht die erreichten Mehrwerte zunichte machen. 

Schwulera betonte zudem, dass heute nicht mehr bewiesen werden müsse, dass KI grundsätzlich funktioniere. Stattdessen gelte es, Pilotprojekte zu etablieren, die schnell und konkret Nutzen stiften. 

Innovatives Wissensmanagement bei Bayer und Peerox 

Matthias Markus von der Bayer AG und Andre Schult von Peerox GmbH zeigten anhand praktischer Beispiele, wie Wissensmanagement wirklich effektiv funktionieren kann. Das alte Konzept, bei dem erfahrene Mitarbeiter Wissen in Datenbanken speisen, scheitere regelmäßig, weil Mitarbeiter keine Zeit oder Motivation hätten, dies umzusetzen. 

Ihr neuer Ansatz basiert auf KI-gestützten Assistenzsystemen, die Wissen aus konkreten Lösungsfällen lernen und bei Problemen gezielt vorschlagen. Dadurch konnten Produktionsverluste um etwa 30 Prozent gesenkt und die Einarbeitungszeiten neuer Mitarbeiter verkürzt werden. Entscheidend für den Erfolg dieser Lösungen war, dass Mitarbeiter die Systeme als echte Hilfe wahrnehmen und akzeptieren. 

Datenbasierte Einsparungen bei FESTO 

Eberhard Klotz von FESTO zeigte auf, wie datengetriebene Ansätze über den gesamten Lebenszyklus einer Maschine erhebliche Einsparungen ermöglichen. Durch intelligente Kombination von Hardware und Software können bei Komponenten wie Druckluftzylindern bis zu 70 Prozent Energie eingespart werden. Auch im Bereich der Wartung (Predictive Maintenance) seien enorme Effizienzsteigerungen möglich, da KI Ausfälle frühzeitig vorhersehen und gezielt vermeiden könne. 

Grüne Stahlproduktion mit Power4Steel 

Zum Abschluss präsentierte Dr. Sebastian Börner von Saarstahl das ambitionierte Projekt Power4Steel, das den Wandel zur nachhaltigen Stahlproduktion vorantreiben soll. Durch die Einführung von Elektrolichtbogenöfen und die Nutzung von Wasserstoff anstelle fossiler Brennstoffe wird die Stahlproduktion deutlich umweltfreundlicher. Das Projekt, mit einem Volumen von etwa 4,5 Milliarden Euro, könnte als Blaupause für andere Industrien dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. 

Fazit 

Die Produktionstage 2025 in Saarbrücken lieferten eine Vielzahl innovativer Impulse und zeigten eindrucksvoll, wie Unternehmen durch Digitalisierung, KI und nachhaltige Technologien langfristig wettbewerbsfähig bleiben können. Der intensive Austausch zwischen Experten und Praktikern bot wertvolle Inspiration und Orientierung für die Zukunft der Industrie. 

Benjamin Brockmann

Co-CEO benjamin.brockmann@operations1.com

Benjamin Brockmann (M. Sc., Management & Technology) gründet 2017 gemeinsam mit Daniel Grobe (ebenfalls M. Sc., Management & Technology) Operations1. Die Software-Lösung entwickeln die Gründer auf Basis diverser Praxisprojekte, u. a. am Fraunhofer Institut, und aufgrund ihrer Erfahrungen in der Industrie, Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung. Benjamin Brockmann war bereits für Unternehmen wie KPMG und Arthur D. Little tätig.