Maschinenbaugipfel 2025 in Berlin – Zwischen Krisenstimmung und Aufbruchssignalen
Am 16. und 17. September 2025 fand in Berlin der Maschinenbaugipfel statt, das jährliche Treffen von Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, das in diesem Jahr von einer ungewöhnlich angespannten Stimmung geprägt war. Die Rezession ist im Maschinenbau spürbar angekommen, Aufträge brechen weg, und viele Unternehmen sehen sich gezwungen, Stellen abzubauen. Vor diesem Hintergrund war die Erwartung an die Rednerinnen und Redner klar: Sie sollten Wege aufzeigen, wie der Maschinenbau aus dieser Phase der Unsicherheit herausfinden kann.

Ein Auftakt mit Dringlichkeit
Die Eröffnungsrede von VDMA-Präsident Bertram Kawlath setzte gleich zu Beginn einen Ton, der kaum deutlicher hätte sein können. Er beschrieb die aktuelle Lage als bedrohlich und sprach davon, dass die Branche an einem Kipppunkt stehe. Die demokratische Mitte sei in Gefahr, und die Stimmung unter Maschinenbauern sei von Wut geprägt. Diese Wut richte sich allerdings nicht gegen die Zukunft, sondern gegen die ausbleibenden politischen Reformen, die dringend gebraucht würden. Kawlath machte unmissverständlich klar, dass die Rezession keine theoretische Größe sei, sondern ganz real erfahrbar. Der Abbau von Arbeitsplätzen sei bereits im Gange, und eine Besserung sei nicht in Sicht.
Er forderte eine Agenda, die sofort Entlastung bringe. Drei Punkte hob er besonders hervor: die Senkung des Unternehmenssteuersatzes, beschleunigte Genehmigungsverfahren für Produktionsstätten sowie mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Diese Maßnahmen seien aus seiner Sicht keine langfristigen Visionen, sondern dringend notwendige Schritte, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Besonders eindringlich warnte Kawlath vor den Folgen des aktuellen Zollstreits mit den USA. Der Stahlzoll sei weit höher ausgefallen als ursprünglich angekündigt, wodurch viele Maschinen auf dem US-Markt praktisch unverkäuflich seien. Statt stabilisierender Effekte bringe der Zoll-Deal nur neue Unsicherheit. Deutschland brauche daher eine neue Handelspolitik, die konsequent auf die Erschließung neuer Märkte setze und Freihandelsabkommen in höherem Tempo verhandle. Gleichzeitig betonte er, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht ins Hintertreffen geraten dürfe. Es sei die größte Herausforderung unserer Zeit, und Industriepolitik müsse ökologische Transformation und ökonomische Stärke zusammenbringen. Als positives Beispiel für mutige Reformen nannte er Dänemark, das mit einer Rente mit 70 schwierige, aber notwendige Schritte gewagt habe.

Politik zwischen Selbstlob und Realität
Bundeskanzler Friedrich Merz, der am ersten Tag die Bühne betrat, knüpfte nur bedingt an die dramatische Analyse des VDMA-Präsidenten an. Stattdessen präsentierte er eine Liste bereits umgesetzter Maßnahmen. Dazu zählten steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, erste Schritte beim Bürokratieabbau und die Arbeit an einer Staatsmodernisierung, die inzwischen in einem zentralen Ministerium gebündelt sei. Er versprach, den Erfüllungsaufwand für Unternehmen um ein Viertel zu senken und warnte davor, Technologien vorzuschreiben. Stattdessen müsse Deutschland auf Technologieoffenheit setzen, um Innovationen nicht im Keim zu ersticken.
Seine Rede reichte allerdings weit über den Maschinenbau hinaus. Merz sprach über die Notwendigkeit, Frieden und Freiheit in Europa zu sichern, über eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und über die Bedeutung einer starken industriellen Basis. Er warnte davor, Sozialpolitik auf Dauer in dem Maße auszubauen, wie es in den vergangenen Jahren geschehen sei. Das Bürgergeld müsse reformiert werden, um Anreize zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu stärken.
Besonders eindringlich sprach er über die Energieversorgung. Der Ausstieg aus bestehenden Kraftwerken dürfe nicht erfolgen, bevor ausreichend neue Kapazitäten geschaffen seien. Neue Gaskraftwerke seien deshalb notwendig. Zwar müssten die Ausbauziele für erneuerbare Energien “leicht zurückgenommen werden”, dennoch bleibe das Ziel einer umweltfreundlichen und zugleich preisgünstigen Energieversorgung bestehen.
An einer Stelle reagierte das Publikum mit einem kurzen Lachen: Als Merz die aktuelle Lösung des Zollkonflikts mit den USA als „die wenigstens schlechte“ bezeichnete, wurde klar, dass hier kaum jemand mit echter Entspannung rechnet. Auch er betonte, dass neue Handelspartner dringend gebraucht würden, allerdings ausschließlich über EU-Abkommen.
Trotz dieser ernsten Punkte wirkte die Rede insgesamt eher routiniert, fast wie aus dem Repertoire seiner Parteireden. Viele Zuhörer vermissten eine konkrete Auseinandersetzung mit den Forderungen des VDMA-Präsidenten.

Ein europäischer Blick aus Kopenhagen
Einen frischen Impuls brachte der dänische Industrieminister Morten Bødskov in die Diskussion ein. Er stellte die europäische Dimension in den Vordergrund und warnte davor, dass die EU bei Investitionen in Zukunftstechnologien längst nicht mehr mithalten könne. Während die USA und China in den vergangenen Jahren massiv in Green Tech, KI und Robotik investiert hätten, sei Europa ins Hintertreffen geraten.
Bødskov betonte, dass die Stärkung des europäischen Binnenmarkts oberste Priorität haben müsse. Weniger Gerede, mehr konkrete Maßnahmen, das sei der Ansatz, den er sich für die EU-Präsidentschaft Dänemarks wünsche. Er benannte drei zentrale Barrieren, die abgebaut werden müssten: zu viel Bürokratie, zu geringe private Investitionen und ein zu schwaches Engagement bei Zukunftstechnologien. Besonders in der Robotik liege ein enormes Potenzial, die Produktivität der Industrie zu steigern.

Der Maschinenbau im globalen Wettbewerb
Dass die Sorgen der Branche nicht nur gefühlt, sondern empirisch belegbar sind, zeigte die Präsentation von Professor Moritz Schularick. Seine Studie zu den Folgen geoökonomischer Schocks macht deutlich, dass Zölle die Exporte der deutschen Industrie massiv belasten. Für den Maschinenbau ergab sich ein Rückgang um neun Prozent, für die Chemiebranche sogar um 23 Prozent.
Vor allem kleine Unternehmen seien verwundbar, da sie stärker von wenigen Exportmärkten abhängen und Anpassungen für sie deutlich teurer seien. Viele Mittelständler hätten ihre Schwerpunkte auf China und die USA gelegt und stünden nun unter Druck. Schularick prognostizierte, dass in den kommenden Wochen immer mehr Firmen ihren Export in die USA einstellen müssten, da die Kosten schlicht zu hoch würden.
Die Folgerung aus dieser Analyse war eindeutig: Deutschland und die EU müssten schneller neue Handelsabkommen schließen und gleichzeitig den Bürokratieabbau entschlossener vorantreiben. Nur so lasse sich der Marktzugang sichern und die Wettbewerbsfähigkeit verteidigen.

Künstliche Intelligenz als Hoffnungsträger
Neben all den ernsten Themen der Weltwirtschaft gab es auf dem Gipfel auch eine Debatte, die den Blick nach vorne richtete. Unter dem Titel „KI – eine echte Disruption?“ diskutierten Vertreter von Siemens, SAP und der Bundesregierung über die Rolle der Künstlichen Intelligenz im industriellen Kontext.
Cedrik Neike von Siemens zeichnete ein Bild, das Chancen und Risiken gleichermaßen verdeutlichte. Zwar hätten über 90 Prozent der Unternehmen den Wunsch, KI einzusetzen, doch nur sieben Prozent setzten dies bislang aktiv um. Während Konsumenten-KI wie ChatGPT längst durch US-Konzerne dominiert werde, sei das Rennen in der industriellen Anwendung noch offen. Allerdings fehle es in Europa an Rechenleistung, an Talenten und an einer klaren Strategie im Umgang mit Daten. Dabei sitze gerade der Maschinenbau auf einem Schatz: Stücklisten, CAD-Dateien und Zeitreihen – Daten, die, wenn sie intelligent genutzt würden, völlig neue Geschäftsmodelle ermöglichen könnten.

Sebastian Steinhäuser von SAP knüpfte daran an und stellte die Vision einer Industrie 2030 vor, in der KI zum ständigen Copiloten der Unternehmen geworden ist. Prozesse könnten dann zehnmal schneller ablaufen, und der Werker in der Fabrikhalle werde nicht mehr nur Maschinen bedienen, sondern komplexe Abläufe orchestrieren. Doch dafür brauche es mehr Mut in den Unternehmen, klare Datenstrategien und gemeinsame Datenräume. Projekte wie „Manufacturing X“ könnten als Blaupause dienen.

Thomas Jarzombek, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, unterstrich schließlich, dass Deutschland in der Grundlagenforschung stark sei und viele KI-Talente im Land ausgebildet habe. Doch um im globalen Wettbewerb zu bestehen, müssten mehr internationale Talente gewonnen, mehr Rechenzentren in Europa gebaut und mehr Risikobereitschaft im Einkauf entwickelt werden. Das alte Motto „Nobody has ever been fired for buying IBM“ müsse abgelöst werden durch mehr Offenheit für neue Anbieter.

Mein Eindruck: Wertvolle Einblicke, aber viele Lippenbekenntnisse
Der Maschinenbaugipfel 2025 in Berlin war ein Spiegelbild der Lage der Branche. Einerseits war die Krisenstimmung unübersehbar: Exporte brechen ein, die Rezession ist Realität, und viele Unternehmen kämpfen ums Überleben. Andererseits gab es auch Momente der Aufbruchsstimmung, vor allem dort, wo über die Chancen der Digitalisierung und den Einsatz von KI gesprochen wurde.
Für mich persönlich hat sich der Besuch im Großen und Ganzen gelohnt. Es war spannend, so viele unterschiedliche Meinungen von Experten, Managern und Politikern zu hören und daraus mein eigenes Bild der Situation zu formen. Der Gipfel hat einen guten Überblick darüber gegeben, wo die größten Herausforderungen für den Maschinenbau aktuell liegen, aber auch, welche technologischen Entwicklungen neue Perspektiven eröffnen könnten. Besonders positiv fand ich zudem, dass auch Startups eine Bühne bekommen haben und so deutlich wurde, dass Innovation nicht nur aus den etablierten Konzernen kommt.
Schade fand ich allerdings, dass sich viele der politischen Vorträge wie Lippenbekenntnisse anhörten. Gefühlt wurde viel wiederholt, was man auch schon auf ähnlichen Veranstaltungen im vergangenen Jahr gehört hat, ohne dass in der Zwischenzeit konkrete Lösungen umgesetzt worden wären. Ein besonders klares Negativbeispiel war die Rede von Friedrich Merz. Anstatt auf die präzisen Forderungen von VDMA-Präsident Bertram Kawlath einzugehen, hielt er eher eine klassische Parteirede im Tonfall „wir tun schon viel, aber die Koalitionspartner bremsen uns“. Der Tiefpunkt war für mich der Moment, als er als vermeintliche Lösung für die Probleme des Maschinen- und Anlagenbaus die Umbenennung des Bürgergeldes und die Senkung von Sozialausgaben ins Feld führte. Über die Sinnhaftigkeit dieser Vorschläge kann man sicherlich streiten, aber an diesem Tag wirkten sie weit entfernt von den dringend benötigten Antworten auf die konkreten Probleme, die Kawlath bereits klar benannt hatte.
So bleibt für mich das Fazit ambivalent: Der Gipfel hat viele wertvolle Einblicke geboten und war gerade wegen der Vielfalt der Stimmen bereichernd. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es nicht an der Analyse der Lage mangelt, sondern an der politischen Entschlossenheit, die bekannten Probleme endlich entschlossen anzugehen.
Benjamin Brockmann
Benjamin Brockmann (M. Sc., Management & Technology) gründet 2017 gemeinsam mit Daniel Grobe (ebenfalls M. Sc., Management & Technology) Operations1. Die Software-Lösung entwickeln die Gründer auf Basis diverser Praxisprojekte, u. a. am Fraunhofer Institut, und aufgrund ihrer Erfahrungen in der Industrie, Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung. Benjamin Brockmann war bereits für Unternehmen wie KPMG und Arthur D. Little tätig.