Erfahrungsbericht: Produktions Summit Allgäu 2024 – Wie die Zukunft der Produktion gestaltet wird

Der Produktions Summit Allgäu 2024 hat eindrucksvoll gezeigt, dass die deutsche Industrie vor einer tiefgreifenden Transformation steht. Die wichtigsten Themen des Summits – Digitalisierung, Automatisierung, globaler Wettbewerb und die Notwendigkeit zu flexiblen Produktionssystemen – verdeutlichen, wie dringlich ein Umdenken in der Produktion ist. Es ging nicht nur um technologische Innovationen, sondern auch um grundlegende strategische und gesellschaftliche Fragen, die den Erfolg der Industrie in den nächsten Jahren prägen werden.

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1. Digitalisierung als Schlüsselfaktor für Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit

Ein durchgehendes Thema der Veranstaltung war die digitale Transformation in der Produktion. Carlos Carranza (CEO PFEIFER Group) brachte es auf den Punkt: Unternehmen müssen sich bewusst machen, dass die digitale Transformation nicht nur Zeit und Geld kostet, sondern auch einen kulturellen Wandel erfordert. Dabei geht es nicht nur um die Implementierung neuer Technologien, sondern auch um die Standardisierung von Prozessen, um Flexibilität und Effizienz gleichzeitig zu steigern.

Viele Unternehmen behaupten, „wir sind anders“, doch in den meisten Fällen ist das laut Carranza nicht zutreffend. Statt sich auf hochflexible Systeme zu verlassen, sollten sich Unternehmen stärker auf vorgegebene Prozesse stützen, die es ihnen ermöglichen, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren. In der Praxis bedeutet das, digitale Lösungen wie SAP S/4HANA als Rückgrat der Produktionsprozesse zu nutzen und darauf spezialisierte Tools wie MES (Manufacturing Execution Systems) zu setzen, um die Prozesse weiter zu optimieren. Die Vorteile dieser Ansätze wurden mit beeindruckenden Zahlen untermauert: eine signifikant gesteigerte Liefertreue und eine erhebliche Reduzierung der Auftragsdurchlaufzeit.

2. Automatisierung – Vom Menschen zur Maschine

Automatisierung war ebenfalls eines der zentralen Themen des Summits. Unternehmen wie HAWE und Swoboda präsentierten beeindruckende Fortschritte in der Automatisierung von Produktionsprozessen – selbst in Bereichen mit enormer Variantenvielfalt. Wolfgang Socher von HAWE brachte es auf den Punkt: Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann die Vollautomatisierung in der Produktion Einzug halten wird. Bei 1 Million Varianten und Losgrößen von 1 bis 50 setzt HAWE bereits auf eine hohe Automatisierung, die es erlaubt, flexibel und kosteneffizient zu produzieren.

Swoboda zeigte mit seinem Ansatz „Erst Robert, dann Robot“, dass die Automatisierung in einem stufenweisen Prozess voranschreitet. Der Übergang vom menschlichen Mitarbeiter zur Roboterunterstützung in der Produktion wird kontinuierlich optimiert, um schließlich vollständig automatisierte Anlagen zu schaffen.

Diese rasante Entwicklung hat mir erneut gezeigt, dass sich die Rolle und die Aufgabenfelder der Mitarbeiter in der Fabrik in Zukunft signifikant ändern werden. Weg von wiederkehrenden Tätigkeiten, hinzu aktiven Entscheidungsträgern und Problemlösern in einer flexiblen Produktion.

3. Globaler Wettbewerb: Die Herausforderungen aus Asien und den USA

Ein immer präsentes Thema auf dem Summit war der internationale Wettbewerb – insbesondere der Druck aus China. Wie Karl Haeusgen (Präsident des VDMA) betonte, ist die chinesische Maschinenbauindustrie nicht mehr nur ein kostengünstiger Konkurrent, sondern entwickelt sich zunehmend zur globalen Führungsnation in der Produktionstechnologie. Deutsche Maschinenbauer sehen sich mit der Realität konfrontiert, dass Batterie- und Chipfabriken weltweit zunehmend ohne europäische Maschinen ausgestattet werden – der technologische Fortschritt in China ist beeindruckend.

Haeusgen warnte zudem, dass der Schutz vor internationalen Handelsabkommen, insbesondere in den USA, zu einem neuen Paradigma des „managed trade“ führen könnte, bei dem lokal produziert wird, um Handelsbarrieren zu umgehen. Für exportorientierte deutsche Mittelständler ist dies eine gefährliche Entwicklung, denn sie haben nicht die Möglichkeit, ihre Produktion global zu verlagern, wie es Großkonzerne tun könnten. Besonders für Unternehmen, die stark auf den Export angewiesen sind, wie der Maschinenbau, stellt dies eine Bedrohung dar.

4. Flexibilität als Überlebensstrategie

Flexibilität in den Produktionssystemen wurde von Fendt als Schlüsselstrategie vorgestellt, um den Herausforderungen des globalen Marktes und der sich wandelnden Technologien zu begegnen. Fendt zeigte eindrucksvoll, wie sie ihre Produktionssysteme so gestalten, dass sie sowohl konventionelle als auch elektrische Traktoren produzieren können. Diese symbiotische Produktion ist ein Paradebeispiel dafür, wie Unternehmen auf neue Marktanforderungen reagieren müssen. In einer Zeit, in der Umsatzrückgänge prognostiziert werden, bleibt Flexibilität eine der wenigen wirksamen Antworten auf Unsicherheit und schwankende Marktbedingungen.

5. Herausforderungen durch gesellschaftliche Veränderungen

Neben technologischen und wirtschaftlichen Fragen standen auch gesellschaftliche Themen im Mittelpunkt. Haeusgen thematisierte ein weiteres bedeutendes Hindernis: die Bequemlichkeit der deutschen Gesellschaft. Themen wie die Verlängerung der Lebens- und Wochenarbeitszeit werden kaum diskutiert, obwohl diese Fragen für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von großer Bedeutung sind. Gleichzeitig gibt es immer noch eine mangelnde Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte – ein großes Problem angesichts des Fachkräftemangels.

Diese gesellschaftlichen Herausforderungen sind nicht weniger bedeutend als die technologischen, denn ohne eine Anpassung der Arbeitswelt und der Einstellung gegenüber neuen Arbeitskräften wird es schwierig, die Innovationskraft der deutschen Industrie aufrechtzuerhalten.

Ich frage mich jedoch an diesem Punkt, ob es wirklich sinnvoll ist über 5 Wochenarbeitsstunden mehr oder weniger zu diskutieren, oder wir viel mehr darüber sprechen sollten an was wir arbeiten und wie wir arbeiten. Als Schlagworte seien hier Künstliche Intelligenz (Schlüsseltechnologie) oder Bürokratieabbau (Produktivitätshebel) genannt.

Fazit: Die Zukunft der Produktion ist flexibler, digitaler und global herausfordernder

Der Produktions Summit Allgäu 2024 hat eines klar gezeigt: Die deutsche Industrie steht vor einer massiven Transformation. Digitalisierung und Automatisierung sind nicht länger Zukunftsvisionen, sondern notwendige Realität, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Doch technologische Innovation allein reicht nicht aus. Es braucht flexible Produktionssysteme, die schnell auf Veränderungen reagieren können, sowie gesellschaftliche Veränderungen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Unternehmen, die bereit sind, Risiken einzugehen und mutig in Zukunftstechnologien zu investieren, werden auch in einem zunehmend schwierigen internationalen Umfeld bestehen können.

Benjamin Brockmann

Co-CEO benjamin.brockmann@operations1.com

Benjamin Brockmann (M. Sc., Management & Technology) gründet 2017 gemeinsam mit Daniel Grobe (ebenfalls M. Sc., Management & Technology) die cioplenu GmbH. Die Software-Lösung entwickeln die Gründer auf Basis diverser Praxisprojekte, u. a. am Fraunhofer Institut, und aufgrund ihrer Erfahrungen in der Industrie, Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung. Benjamin Brockmann war bereits für Unternehmen wie KPMG und Arthur D. Little tätig.